Marc Chagall
(Peskowatik bei Witebsk, Russisches Kaiserreich, heute Weißrussland 1887 - Saint-Paul-de-Vence, Frankreich 1885)
Marc Chagall wurde als ältestes von neun Kindern einer jüdischen Familie im Russischen Zarenreich im Jahr 1887 geboren. Die erste künstlerische Ausbildung erhielt er an einer privaten Kunstschule in St. Petersburg. Während seiner Studienzeit bei Léon Bakst fuhr Chagall oft nach Witebsk und lernte dort seine spätere Frau Bella Rosenfeld kennen. Danach ging er nach Paris, wo die aktuellen Kunstströmungen und die Avantgarde seine Malerei beeinflussten. Er lebte in einer Künstlersiedlung im 15. Arrondissement, wo er sich inmitten der internationalen Bohème von Paris befand. Chagall begegnete den Avantgardisten des Montparnasse wie dem Dichter Guillaume Apollinaire und den Malern Robert Delaunay, Albert Gleizes, Fernand Léger und Amedeo Modigliani. Mit Apollinaire, Delaunay und Léger verband ihn bald eine besondere Freundschaft. Sein damaliges Umfeld nannte ihn „le poète, den „Dichter“. Chagall nahm am Salon des Indépendants und dem Salon d’Automne teil. Dort sah er erstmals die Arbeiten der Fauvisten und Kubisten.
In Paris entdeckte Chagall die Technik der Gouache für sich und diese wurde sein bevorzugtes künstlerisches Ausdrucksmittel. Während Chagalls Pariser Zeit entstanden Hunderte von Gouachen. Nur wenn er von vornherein vom Ergebnis überzeugt war, malte Chagall auf Leinwand. So entstanden kaum mehr als vierzig Leinwände, die er durch Gouache-Malereien vorbereitete.
Die erste Einzelausstellung von Marc Chagalls Werken fand in Berlin, in der Galerie „Der Sturm“ von Herwarth Walden statt. Als der Erste Weltkrieg ausbrach, war Chagall im heimischen Witebsk, wo er 1915 Bella Rosenfeld heiratete und 1918 zum Kommissar für die Schönen Künste ernannt wurde. Zwischenzeitlich lebte das Paar auch in St. Petersburg, nunmehr Petrograd, wo sie auch die Februarrevolution 1917 miterlebten. Mit Ausbruch der Oktoberrevolution kehrte die Familie nach Witebsk zurück. Dort gründete Chagall 1919 eine Kunstakademie, die Witebsker Kunstschule, an der auch El Lissitzky und Kasimir Malewitsch unterrichteten.
Mit Malewitsch geriet Chagall immer wieder aneinander, aufgrund des damaligen Richtungskampfes um die zukünftige Kunst. Dabei war Malewitsch durch sein Bild „Schwarzes Quadrat“ einer der führenden Köpfe, er propagierte seine Kunst als „reine Malerei“, was mit Chagalls Auffassung nicht vereinbar war und so trat Chagall 1920 von der Leitung der Akademie zurück und zog mit seiner Familie nach Moskau, wo sie eine Zeit lang in Armut lebten. Chagall hielt die Familie mit Entwürfen für Wandbilder, Dekorationen und Kostüme für das „Jüdische Theater“ über Wasser. Die staatliche Nachfrage nach seinen Arbeiten flaute damals stark ab, da sie nun nicht mehr in die offizielle Kunst-Ideologie passten. Da Malewitsch zu dieser Zeit den Ton angab und von Chagall nicht viel hielt, hatte letzterer schwer zu kämpfen.
1922 kehrte Chagall mit seiner Familie seiner russischen Heimat endgültig den Rücken und lebte zunächst in Berlin, ab 1923 dann in Paris. Der renommierte Kunsthändler Ambroise Vollard erteilte ihm den Auftrag, Nikolai Gogols Roman „Die toten Seelen“ zu illustrieren. Ab 1927 folgten weitere Aufträge für Illustrationszyklen, unter anderem zu den Fabeln von La Fontaine.
Dies war eine sehr produktive Zeit, in der Chagall seine durch den Ersten Weltkrieg verlorenen Bilder nach Reproduktionen oder aus seinen Erinnerungen nachmalte. Dies tat er nicht nur zum Ausgleich seiner finanziellen Verluste, sondern auch, um seiner Vorstellung gerecht werden, dass seine Bilder „immer ein Stück seines künstlerischen Ich“ seien. Viele seiner Bilder malte er in dieser Zeit ein zweites Mal. 1931 bis 1939 und dann wieder ab 1952 arbeitete Chagall an Bibel-Illustrationen, die 1956 erschienen.
1941 wanderte Marc Chagall samt Familie in die USA aus. 1946 zeigte das Museum of Modern Art in New York eine erste umfassende Retrospektive seiner Werke.
1947 kehrte Chagall nach Paris zurück und ließ sich schließlich 1950 in Saint-Paul-de-Vence nieder, wo er bis zu seinem Tod im Jahr 1985 lebte und arbeitete.
Er schuf, neben der Arbeit an seinen Gemälden, umfangreiche Radierzyklen und viele Lithographien. 1950 bis 1970 führte Chagall auch zahlreiche Aufträge für öffentliche Gebäude aus. Er entwarf Glasfenster für die Kathedralen von Metz und Notre Dame in Reims, die Synagoge der Hadassah-Universitätsklinik in Jerusalem und die Stefanskirche in Mainz. Für die Opéra Garnier in Paris malt er ab 1963 ein großformatiges Deckengemälde in der Kuppel über dem Zuschauerraum. Ab 1964 entstanden die Wandgemälde für die Metropolitan Opera in New York.
Die Hauptthemen von Marc Chagalls Kunst sind Motive aus seinem familiären Umfeld, aus der russischen Volkskunst, der jüdischen Mystik, seinem Heimatort Witebsk, aus der Bibel und dem Zirkus. Er kreierte außerdem mit Traumbildern kombinierte Szenen. So hatte er ein eigenes Repertoire an Symbolen, die auch in seinen Mosaiken, den von ihm gestalteten Glasfenstern und Theaterkulissen immer wiederkehrten. Zu diesen Motiven gehören das Liebespaar, die Mondsichel, der Hahn und das jüdische Schtetl. Chagall gilt als einer der bedeutendsten Maler des 20. Jahrhunderts gilt und wird oft dem Expressionismus zugeordnet.